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Dezember-Updates bei Apple


12.12.2024   »Ich finde, wir machen das gut.« — Das sagte einst ein Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach einer Reihe von Niederlagen. Ein paar Tage später war er seinen Job los. Das lag nicht nur an den Niederlagen. Sondern es lag an seiner falschen Einschätzung, wie weit man noch zurücklag: Wer nicht einsieht, dass er hinten liegt, kommt nicht nach vorne.



Heute hat Apple wichtige Updates für seine Betriebssysteme veröffentlicht, darunter iOS 18.2, iPadOS 18.2 und macOS 15.2. Die neuen Funktionen sind elegant gestaltet und technisch beeindruckend. Doch auch Google und OpenAI haben heute neue Entwicklungen vorgestellt. Dadurch verschiebt sich die Ziellinie, die Apple erreichen möchte.

Was hat Apple veröffentlicht?

Im Mittelpunkt der heutigen Updates stehen Apples neue KI-Funktionen. Zur Erinnerung: Das sind Tools zur Umformulierung von kurzen Texten; eine einfache Bilderzeugung, die vor allem Emojis betrifft; und, als wichtigste neue Funktion, die Integration von ChatGPT.

Diese Integration von ChatGPT eröffnet den Nutzern zwei wesentliche Möglichkeiten: Einerseits können Texte jetzt nach präzisen Vorgaben gestaltet werden, was besonders hilfreich ist, wenn man genau ausdrücken möchte, wie ein Text klingen soll. Andererseits wird ChatGPT genutzt, um Fragen zu beantworten, die Siri bislang überfordert haben.

Unter normalen Umständen, beispielsweise in der Ära von Steve Jobs, wären beides erstaunliche Funktionen gewesen. Damals waren wir bereits beeindruckt, als Safari ein eigenes Suchfeld für Google bekam. Wie praktisch! Aber nach heutigen Maßstäben zeigen die Funktionen, wie weit Apple zurückliegt.

Bilder

Die einzelnen Funktionen sind Kleinigkeiten. Was Apple aus eigener Kraft (ohne die Hilfe von OpenAI) anbieten kann, ist wenig. Teilweise sogar jämmerlich. Das betrifft die neue Bilderzeugung, die man damit entschuldigen kann, dass sie nur Emojis und ähnliche Kritzeleien hervorbringen soll. Aber die Wahrheit ist eben auch, dass sie überhaupt nichts anderes kann.



Zwar mag es erstaunlich sein, mit so wenig RAM-Speicher auszukommen; und es mag nobel sein, erstmal eine »private« Server-Infrastruktur aufzubauen und zunächst alles lokal zu verarbeiten. Aber wahr ist eben auch, dass die Funktionen neben den Angeboten von OpenAI, Google oder Anthropic verblassen.

Zum Vergleich: OpenAI und Google haben in diesen Tagen neue Video-Generatoren veröffentlicht, die, obwohl sie noch lange nicht perfekt sind, als echte Meilensteine gelten können. Apple veröffentlicht Emojis.

Texte

Die neuen Textfunktionen sind da schon besser. Man kann damit Texte umgestalten (aus einer Liste wird eine Tabelle) oder den Schreibstil ändern (aus frech wird freundlich, aus lang wird kurz). Neu ist nun, dass man seine Wünsche sehr exakt und in natürlicher Sprache formulieren kann. Diese etwas komplexeren Aufgaben werden dann von ChatGPT erledigt. Das ist für sich genommen sehr nützlich.



Doch auch das ist eine Kleinigkeit. Die Textfunktionen sind hauptsächlich gedacht für einfache, gelegentliche Änderungen von kurzen Texten. Aber »Arbeiten mit Texten« ist etwas ganz anderes. Man kann seine Prompts nämlich nicht speichern, sodass man seine Wünsche jedes Mal erneut eintippen muss. Wie viel Spaß wird es wohl machen, immer wieder einzutippen: »Schreibe in der 2. Person Plural Präsens Indikativ Aktiv. Beispiel: Wie gefällt Euch der Vortrag?«



ChatGPT erinnert sich an ein zuvor gegebenes Kommando und wendet ihn auf einen neuen Text an, wenn man sagt: »Dasselbe bitte mit diesem Text, aber füge eine Einleitung hinzu«. ChatGPT wirkt daher wie ein verständiger, hilfsbereiter Assistent. Apples Implementation hingegen speichert den Verlauf nicht. Deswegen wirkt es so vergesslich, hilflos und desinteressiert wie Siri. Obwohl Apple dafür ChatGPT verwendet.

Gleichzeitig sind die Tools von OpenAI/ChatGPT exzellent, gerade für das Arbeiten mit Texten. Warum also sollte jemand die viel weniger leistungsfähigen Werkzeuge von Apple verwenden? Nützlich sind diese allenfalls für kurze Texte und einfache Aufgaben, die man schnell-schnell und nebenher erledigt. Etwa für Mails, wo man die Funktion direkt aufrufen kann. Das ist gut — es wird bald selbstverständlich sein, jede Mail vor dem Absenden noch schnell von einer KI prüfen zu lassen. Aber das ist eben etwas anderes als »mit Text arbeiten«.



Implementation

Auch die beste KI muss man dem Anwender in einer passenden Form präsentieren. Das ist Apples große Stärke. Dafür soll Apple auch die Zeit bekommen, die es dafür benötigt. Solche Dinge sind nicht einfach.

Apples Implementation besteht in einer kleinen, systemweiten Box, die überall dort zur Verfügung steht, wo Apples Text-API verwendet wird. Das ist eine sehr, sehr gute Entscheidung, die man nicht hoch genug loben kann.

Gleichzeitig ist das Ergebnis aus der Perspektive einer echten Textverarbeitung ein Witz. Was genau haben die Entwickler von Pages hier beigetragen? Wo bleibt ihre eigene Implementation, speziell für Pages? Für Vielschreiber? Oder für die gelegentliche Rechnung, erzeugt aus einer Tabelle in Notes? Es gibt sie nicht.

Gerade gestern hat OpenAI einen neuen Modus für ChatGPT vorgestellt: »Canvas«. Das ist eine Art Textverarbeitung, bei der man den Text zusammen mit der KI bearbeitet. Die KI kann Absätze markieren und Änderungen vorschlagen. Der Anwender kann sagen: »Füge hier an dieser Stelle dies und jenes ein«, oder »in diesem Absatz kommt das Wort xy zu oft vor, verwende unterschiedliche Begriffe«. Gleichzeitig kann man selbst in dem Dokument schreiben. Es ist, als ob ein unsichtbarer Kollege einen zweiten Cursor bedient.



Wenn man also Apple zugute halten möchte, dass eine gute Implementation wichtig ist, dann muss man zugeben, dass es diese Implementation in den eigenen Apps nicht gibt. Sondern es gibt ein neues systemweites Kontextmenü. Und dieses Kontextmenü schert sich nicht drum, ob es innerhalb von Mail oder Pages erscheint. Aber in Pages brauche ich mehr Funktionen und mehr Freiheiten.

Sicherlich wird es irgendwann eine KI-Version der iWork-Apps geben, denn alles andere wäre Wahnsinn. Aber im Moment gibt es sie nicht. Andere Apps von Apple (Fotos, Mail) hatten da mehr Glück. Vielleicht hat Pages nicht so viele Anwender und muss sich hinten anstellen.

Ist KI ein Feature?

Apple verwendet KI für ganz bestimmte Features, und diese werden zudem in sehr engen Grenzen gehalten. Die Zusammenfassung einer Mail soll zuverlässig sein, damit es den Anwender nicht in Schwierigkeiten bringt. Das ist nachvollziehbar.



Doch der eigentliche Zauber der KI liegt darin, dass es kein »bestimmtes« Feature gibt. Sondern KI ist wie ein vielseitig begabter Assistent. Eine gute KI korrigiert nicht nur die Grammatik, sondern sie liest lange Dokumente, findet relevante Punkte, ordnet sie in Kategorien, schreibt eine Übersicht, sucht passende Zitate, vergleicht den Inhalt mit Wikipedia, findet leicht verständliche Beispiele, listet Quellen — und erzeugt daraus auf Wunsch ein PDF, ein Word-Dokument, eine Mail oder eine Webseite.

Apples wiederholte Statements, man wolle der KI die gelegentlichen Fehler austreiben, indem man sie festnagelt und festzurrt auf ganz enge Anwendungen, ist besorgniserregend. Die heutigen Updates enthalten praktisch nichts von dem, was KI heute so aufregend und nützlich macht: das freie Spielfeld.

Stattdessen bekommen wir ein paar neue Buttons mit sehr eng definierten Funktionen. Wenn man das vergleicht mit Google, OpenAI und Anthropic, muss man wohl zugeben, dass Apple noch überhaupt nicht auf dem Spielfeld steht. Keine dieser Firmen hat eine »Textkorrektur« auf den Markt gebracht — dort sind das Nebeneffekte einer größeren Intelligenz. Diese größere Intelligenz fehlt bei Apple komplett. Nur deswegen bekommen wir einzelne Features.

Wie viele Jahre ist Apple hinterher?

Man liest oft, es wären vielleicht zwei Jahre. Es heißt, Apple tüftle an eigenen Prozessoren für eigene Rechenzentren.

Große LLMs benötigen ein Jahr Rechenzeit. Man muss allerdings viel Zeit und Arbeit investieren, bis man eine solche Berechnung starten kann. Zwei Jahre wären insgesamt extrem schnell. Gerade ein junges Team mit neuen Aufgaben wird anfangs Fehler machen, das ist normal. Gleichzeitig werden Google und OpenAI nicht auf Apple warten.

Die gute Nachricht ist, dass wir Apple-Anwender es uns aussuchen können, welche Werkzeuge wir verwenden. Sowohl der Mac als auch iPhone/iPad sind bestens gerüstet (und wichtig genug) für die Apps der KI-Pioniere. Die App für ChatGPT auf dem Mac ist sehr gut und wird immer besser. Das ist eine komfortable Situation für uns Anwender. Den Stress haben andere.