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Post-PC


12.11.2024   »Can’t innovate anymore! My ass!« — So fauchte es Phil Schiller in die jubelnde Menge, als er den damals neuen Mac Pro vorstellte: Ein Juwel aus Technik und Design, der sichtbare Beweis für eine neue technische Ära.



Im Jahr 2013 war es tatsächlich mutig, neue Wege zu bestreiten. Apple erklärte das Festplatten-Zeitalter für beendet und setzte allein auf SSDs. Eine zusätzliche Grafikkarte diente als monströser Co-Prozessor zur Berechnung riesiger Zahlenkolonnen. Heute ist uns das bei der »Neural Engine« und der »Media Engine« selbstverständlich. Und anstelle von Steckkarten sorgten ultraschnelle Thunderbolt-Anschlüsse dafür, dass sich die Peripherie auch an Laptops betreiben ließ. Das Steckkarten-Prinzip passte nicht mehr in eine Epoche, die zunehmend von Laptops dominiert wurde.



Drei Jahre zuvor, im Jahr 2010, läutete das iPad die »Post PC«-Ära ein. Klassische PCs waren nun Trucks, die von Profis für bestimmte Spezialaufgaben benötigt wurden. Angeblich.

Es kam anders. Das iPad und speziell iPadOS konnten den Mac nie ersetzen, jedenfalls für viele Anwender. Apple erkannte das nach einigen Jahren und schenkte dem Mac neue Aufmerksamkeit. Apple entdeckte, dass »Post PC« nicht das Ende des klassischen Computers darstellte, sondern dass dieser sogar davon profitieren konnte.



Als Gerät wurde der Mac zu einem geschlossenen System, zu einer Appliance. Doch seine Software behielt die Offenheit, die Vielseitigkeit und die Leistungsfähigkeit eines klassischen Computers.

Das iPhone beantwortete damals die Frage: »Wie würde wohl ein Smartphone aussehen, wenn es von PC-Ingenieuren entworfen würde?«. Der Mac Mini beantwortet heute die Frage: »Wie würde wohl ein PC aussehen, wenn er von Smartphone-Ingenieuren entworfen würde?«.

Der Mac Mini ist jedoch keine plötzliche Revolution. Der Mac Pro von 2013 und der Mac Studio von 2022 zeichnen eine direkte Linie, die, konsequent weitergedacht, irgendwann zum Mac Mini führen musste. Und trotzdem durchbricht der Mac Mini eine Schallmauer, die durch ihren lauten Knall plötzlich für alle sichtbar werden lässt, dass ein neues Zeitalter begonnen hat.



Es ist nicht nur die Miniaturisierung, obwohl sie eine wichtige Rolle spielt. Doch die Miniaturisierung ist lediglich eine Folge von Integration: CPU, Grafik, RAM und SSD arbeiten nicht mehr als separate Einheiten, mühsam zusammengehalten durch komplexe Software. Sondern sie wurden integriert zu einer Einheit. Dadurch vermieden werden Redundanzen (etwa durch einen zweiten RAM für die Grafik) und unnötige Bauteile (etwa SSD-Controller).

Das Gehäuse weist keinerlei Schrauben oder Öffnungen auf; selbst ein Lüfter ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. Alles, was man typischerweise mit einem »PC« verbindet, nämlich ein großes Gehäuse, eine klar erkennbar Rückseite, Schlitze für Steckkarten, ein nach hinten durch ein Gitter blasender Lüfter, und ein Design, das bestenfalls das Desinteresse des Herstellers an seinen Kunden illustriert, ist beim Mac Mini verschwunden.



Der Mac Mini ist dabei kein ulkiges Gimmick ohne Alltagstauglichkeit. Die schiere Performance des M4 macht diese Ausrede obsolet. Der Mac Mini ist leistungsfähiger als die meisten PCs, die aktuell aus den Technikmärkten geschleppt werden. Er dreht alles auf den Kopf: Nicht der Mac Mini muss sich rechtfertigen, warum er so klein ist; sondern der klassische PC muss sich rechtfertigen, warum er so groß ist — und warum er dann nicht wenigstens mehr leistet.

Man braucht kein Hellseher zu sein, um sich vorzustellen, dass Kinder in ein paar Jahren auf einen modernen Windows-PC im klassischen Kisten-Design zeigen und sagen werden: »Schau mal, ein alter PC!«.



Dasselbe Schicksal erlitten die Handy-Telefone mit ihren bunten Zifferntasten und ihren pixeligen Displays. Ohne etwas darüber zu wissen, sieht man sofort: Das ist alte Ware. Sobald man die Zukunft gesehen hat, weiß man plötzlich, dass die Gegenwart vorbei ist und bereits zur Vergangenheit zählt.

Wir erfahrene Apple-Anwender sehen den Mac Mini als Glied einer Kette, als die nächste Treppenstufe, die wir alle gemeinsam hinaufgehen. Wir nicken anerkennend, dass der Mac Mini kleiner geworden ist. Aber es überrascht uns nicht.

Doch ein PC-Anwender, der sich in diesen Tagen in einen Apple-Store verirrt, wird seinen Augen nicht trauen.



Dasselbe Staunen erlebt er natürlich ein zweites Mal, wenn er an der Kasse den Preis sieht. Revolutionen ändern eben nicht alles.

Diskussion im Forum Aktuelle Sendung dazu: Neuer Mac mini mit M4: Testbericht und Debatte