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Apple in Fesseln


21.03.2024   Angeblich sucht Apple nach einem Partner, der die KI-Technik für die kommenden Versionen von Apples Betriebssystemen bereitstellen kann. Es heißt, Apple wäre dazu (noch nicht) in der Lage. Aussichtsreiche Kandidaten für den Job wären Google und OpenAI. Diese verfügten zudem über die massive Rechenkapazität, die Apple noch fehlt.



Das klingt alles sehr vernünftig. Jedoch gibt es einen kleinen Haken, den man in der Hektik des Nachrichtengeschäfts vermutlich übersah: Apple hat nämlich zwei Milliarden Anwender. Es existiert auf dem gesamten Planeten kein KI-Anbieter, der einen solchen Ansturm bewältigen könnte. Selbst wenn man sie alle kombinieren würde.

Man hört, Siri (oder iMessage) würde in Zukunft alle Fragen beantworten wie ChatGPT. Allerdings wird Siri schlanke 25 Milliarden mal benutzt pro Monat, sagt Yael Garten, einer der für Siri zuständigen Manager. Das sind Größenordnungen, die völlig außer Reichweite sind von allen KI-Systemen, die so ähnlich funktionieren wie ChatGPT oder Gemini. Hinzu kommt, dass Apple-Anwender ihre neuen Spielsachen gerne am ersten Tag ausgiebig testen. Das Desaster beim Launch von MobileMe, bei dem die Server für mehrere Tage komplett lahmgelegt waren, ruft uns in Erinnerung, wie sich ein solcher Ansturm auswirkt.

Wie funktioniert es also?

Alle KI-Anbieter, darunter auch Google und das Gespann aus OpenAI und Microsoft, begrenzen den Ansturm auf zweierlei Weise: Erstens, bei den kostenlosen Systemen handelt es sich um stark abgespeckte Varianten. Bei Überlastung werden neue Anfragen abgelehnt. Zweitens, die leistungsfähigen Varianten sind kostenpflichtig. Und zwar nicht zu knapp. Es gibt verschiedene Stufen, die nicht selten einen fünfzigfachen Preisunterschied aufweisen. Manche Systeme kosten 2 Dollar pro Anfrage. Es ist richtig teuer.



Falls Apple einen kostenlosen KI-Assistenten bietet, dann ist dieser sehr wahrscheinlich in seinen Fähigkeiten am unteren Ende der Skala angesiedelt. Siri könnte vielleicht etwas gesprächiger werden und besser verstehen, was man will. Das wäre schon ein guter Fortschritt. Aber mehr ist kostenlos nicht drin — einfach weil die Kapazität nicht existiert. Vermutlich wird Siri die meisten Funktionen exakt so handhaben wie bisher, und nur wenige Anfragen werden weitergeleitet an die neue KI. Man braucht keine KI, um einen Timer für die Pizza zu stellen.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass es sich um Funktionen handelt, die nicht häufig benutzt werden. Also nicht Siri, sondern vielleicht ein Schreibassistent innerhalb von Pages. Man verstreut ein paar solche Funktionen innerhalb von iWork, Shortcuts oder Safari. Und bei Safari wird’s schon gefährlich.

Kosten im Quadrat

Sehr wahrscheinlich wird Apple die Menge an Informationen begrenzen, die an die KI geschickt werden. Man schickt zwei Dinge an den Server: Den eigentlichen Befehl und den Kontext. Der Kontext kann zum Beispiel ein Dokument sein, das man gerne korrigiert hätte. Je länger der Kontext ist, desto teurer wird es. Die Kosten steigen aber nicht linear, sondern im Quadrat. Mehr als tausend oder zweitausend Zeichen wären geradezu ein Wunder. Ich fände schon 500 Zeichen eindrucksvoll.

Das würde aber ausreichen, damit Siri nicht vergisst, was man vor zehn Sekunden gesagt hatte. Denn bei den KI-Systemen wird im Hintergrund immer der bisherige Verlauf mitgeschickt; auf diese Weise entsteht der Eindruck, die KI würde sich merken, was man zuvor geplaudert hatte. Vielleicht könnte Siri die letzten zwei Anfragen mitsenden.

Eins ist klar: So schnell wie Siri derzeit antwortet (nämlich meist unmittelbar oder überhaupt nicht), kann es per KI nicht funktionieren. Schon deswegen wäre es unklug, einfach alles per KI zu verarbeiten.

Bilderzeugung

In den einschlägigen Meldungen heißt es, die Anwender könnten mit Googles KI-Technik auch Bilder anhand von Text-Kommandos erzeugen. Das schürt Zweifel, ob es sich wirklich um durchgesickerte Informationen handelt. Denn Bilderzeugung gehört zu jenen KI-Aufgaben, die sich durchaus lokal auf den Geräten erledigen lassen. Apple hat eine solche Engine bereits in iOS eingebaut, abgeleitet von »Stable Fusion«, einem Open-Source-Projekt.



Aber wozu soll das gut sein? Vielleicht kann man sich damit ein paar Illustrationen für Pages und Keynote erzeugen lassen. Doch Adobe wird drauf pfeifen. Adobe entwickelt ihre eigene Technik. Dasselbe gilt für Microsoft mit Word und PowerPoint. Warum also sollte Apple sich dafür an Google oder OpenAI wenden? Die Gerüchte sind an dieser Stelle einfach nicht plausibel.

Man mag sich auch fragen, ob Apple wirklich eine Anwendung auf einen Server auslagert, weil sie viel Rechenleistung benötigt? Immerhin verdient Apple seine Brötchen genau damit, dass sie den Grafikprofis sehr schnelle Maschinen verkauft. Wenn die bisherigen Geräte an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit kommen, ist das für Apple sehr gut. Umso eher kaufen die Kunden das neueste Modell.

Kooperation

Es gibt eine weite Bandbreite an Möglichkeiten, sich Partner zu suchen und voneinander zu profitieren. Von Apple wird ein großer Befreiungsschlag gefordert, aber die Technik steht noch ganz am Anfang. Vor allem ist es immens teuer. Man kann nicht erwarten, dass Apple mal eben gratis in iMessage einbaut, worin andere Firmen zehn Jahre und Milliarden an Dollar investiert haben.

Es ist auch aus Sicht der Anwender eine komplexe Technologie. Wer sich nicht intensiv damit beschäftigt, wird kaum verstehen, warum die KI mal geniale und mal törichte Antworten gibt. Apple möchte die Dinge einfach und durchschaubar halten. Sie müssen sich auf jene Anwendungen konzentrieren, die einfach, zuverlässig und nützlich sind. Von dort arbeitet man sich vorwärts.

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